24 März 2012
Interview Elmar Zorn mit Wolfgang Stracke
25.10.2011 im Atelier Wien
Interview 25.10.2011
Franz von Assisi, Herbert von Karajan, die schönen Frauen: ein Gespräch mit Elmar
Zorn über Wolfgang Strackes Kunst und Leben.
Elmar Zorn:
Ein ganz wichtiges Motiv in der Kunstgeschichte ist die Künstlerreise von Dürer bis Anselm Kiefer. Sie haben Ihre Reisen in diesem Buch ja wohl deshalb tabellarisch zusammengestellt weil das auch bei Ihnen ein ganz zentrales Motiv Ihrer Kunst ist – die Künstlerreise in benachbarte Städte, nach Apulien, Spanien und Kärnten, Slowenien, die Reise in die Wüste. Wie positionieren Sie dieses Motiv innerhalb dessen, was Sie bisher geschaffen haben?
Wolfgang Stracke:
Dem Reisen ist ein eigenes Kapitel im Buch gewidmet.Auf einem meiner ersten Kinderbilder war ein Postkasten zu sehen, auf dem stand „Flugpost“. Reisen hat für mich immer eine Faszination ausgeübt. Allerdings nicht das planlose Reisen. Reisen musste in einem Zusammenhang mit Kunst, Geschichte und Natur stehen, so erlebten wir wunderschöne Reisen mit der ganzen Familie.
Elmar Zorn:
Nun spielt für Sie aber auch die Reise alleine, besonders die Reise in die Wüste eine große Rolle, diese Ausnahmesituation der Ausgesetztheit.
Wolfgang Stracke:
Ja das war ein neuer Abschnitt, nach dem so genannten Aufbruch. Ich wollte mehr über mich erfahren. Wie aber macht man das im normalen Leben? Man kann meditieren, man kann irgendwelche Kurse oder Seminare besuchen. Eine Reise unter kalkulierbaren Gefahren, ist mit Sicherheit spannend. Alleine unterwegs ist wieder ganz anders. Das habe ich auf meinen Wüstenreisen in Libyen und Ägypten ausprobiert. Ich hatte zwar ein Sattelitentelefon, war aber weit entfernt von meinen Mitbegleitern. Da hört man Stimmen in sich, es dauert bis man ihnen folgt, es führt zu einem erhöhtem Bewusstsein. Da passiert es tatsächlich, es klingt wohl verrückt, dass man mit Tieren zu sprechen beginnt die dann sogar folgen. Ich sagte einem Vogel er soll sich auf meinen Schoss setzen und er hat es getan. War das die Sprache von Franz von Assisi?
Elmar Zorn:
Das Motiv der Selbstdarstellung spielt in Ihrem künstlerischen Werk eine große Rolle. Was dabei auffällt ist, dass Sie nicht selbstreferenziell vorgehen, also sich nicht selbst inszenieren, wie so viele andere Künstler. Wie bewusst gehen Sie damit um?
Wolfgang Stracke:
Warum ich welches Thema angehe, darüber denke ich nicht nach. Ich male oder formuliere nach innerstem Bedürfnis. Die Selbstinszenierung spielt dabei eine ganz untergeordnete Rolle.
Elmar Zorn:
Bei der Aktmalerei kommen wir zu einer Qualität Ihrer Darstellung der "Weiblichen Personen", die in dieser Weise selten zu finden ist. Ich meine, wie erotisch präsent ihre Akte sind. Da ereignet sich etwas, was einen direkten Bezug zwischen dem Werk, Ihnen und dem Betrachter schafft. Es ist ein Zug in ihrem Werk zu beobachten, der sich über die Jahrzehnte hinweg konstant gehalten hat.
Wolfgang Stracke:
Begonnen hat es in der "Graphischen", mit ganz genauen Menschenstudien, Aktzeichnen, speziell beim Professor Emil Toman. Er hat uns das genaue Hinsehen gelehrt und so hat man ein Grundwissen über den Körper erlangt. Zur Perfektion kam es dann in der Akademie, durch den strengen Blick des Prof. Wotruba. Irgendwann erreicht man dann den Punkt, wo das Studium aufhört und man die Möglichkeit hat, dem Ausdruck und Gefühl freien Lauf zu lassen. Vielleicht war das auch ein Grund, warum ich dann in der Oper, nicht im erotischen Sinn, aber im Sinn ästhetischer Bewegungen, die wunderschönen Menschen so begeistert gemalt und gezeichnet habe.
Elmar Zorn:
Genau: die Bewegung, das ist ja ein Charakteristikum ihres Werkes. Sie haben sehr viel Zeit und auch sehr viel künstlerische Kraft eingesetzt für die Darstellung auf der Bühne, also Ballett und die schon erwähnte Oper. Das ist sehr hervorstechend und verbindet Sie auch mit berühmten Kollegen, wie Degas und Toulouse Lautrec. Wären Sie gerne selber auf der Bühne gestanden?
Wolfgang Stracke:
Das war mir nie ein Anliegen, dennoch hat mich das Theater immer fasziniert und vor Allem die Oper. Später als meine beiden Nichten die Staatsopernballettschule in Wien besuchten, hatte ich die Möglichkeit bei vielen Aufführungen dabei zu sein und auch hinter die Kulissen zu schauen, mit den selben Unzulänglichkeiten wie in den alten Zeiten; schlechtes Licht, wenig Platz, die Darsteller laufen ständig davon, man steht im Weg und kann nur mit wenigen Farben zurecht kommen. Man will also etwas erreichen, was eigentlich unerreichbar ist. Zum Glück gab es die Ruhephasen der Balletttänzer. Da konnte ich studieren und die so anmutigen Nebenszenen erfassen und darstellen.
Elmar Zorn:
Nun ist man als Wiener naturwüchsig mit dem Theater verbunden – auch mit der Musik. Sind Sie da familiär vorgeprägt?
Wolfgang Stracke:
Insofern ja, als wir alle, meine Geschwister, der Vater und ich ein Instrument gespielt haben. Aufgewachsen sind wir in der Himmelpfortgasse, ums Eck war die Musikakademie, dort hatten wir liebe Freunde, Prof. Kühne und seine Kollegen, die haben ihre Studenten in die Himmelpfortgasse zu uns in die Wohnung geschickt. Wir waren so eine Großfamilie, immer offenes Haus, und da wurde Musik geübt. Auf solche Weise hatten wir als Kinder schon besondere „Lehrmeister“. Einige dieser jungen Studenten haben dann später Kariere gemacht, wie zum B. der Cellist Heinrich Schiff oder die Cellistin Andrea Schober. Es gab eine Zeit, so zwischen 13 und 17 Jahren, da habe ich praktisch jede Oper mindestens 3-4 mal angehört. Oft haben wir uns da schon in der Nacht angestellt, um Karten für den Stehplatz zu ergattern Das war also wirklich eine familiäre Prägung.
Elmar Zorn:
Sie haben bei Ihren Darstellungen auf der Bühne sowohl gezeichnet als auch gemalt. Sie zeichnen und malen ja immer nebeneinander. Die Zeichnung, heißt es, ist eine Art Königsdisziplin. Sehen Sie das auch so? Wie gehen Sie mit der Zeichnung im Gegensatz zur Malerei um?
Wolfgang Stracke:
Eigentlich kam ich aus der Grafik, als Zeichner, als malender Zeichner. Im Moment wo ich eine Feder mit Tusche in die Hand nehme, erhöht sich die Konzentration, und da liegt ja der Sport darin. "Was liegt das pickt“, sagt man zu Recht, es gibt da kein Ausbessern mehr, jeden Fehler sieht man, das ist für mich der große Reiz. Aber auf der anderen Seite ist die Welt bunt und ich freue mich jedes Mal die Farbe in voller Intensität auf Papier oder Leinwand zu bringen.
Elmar Zorn:
Ihnen eilt der Ruf voraus, dass Sie rasend schnell arbeiten können, immer direkt sind. Das kann lobend, könnte aber auch kritisch gemeint sein.
Wolfgang Stracke:
Wenn ich etwas ausdrücken will, dann möchte ich den direkten Weg nehmen. Mir wurde öfters auch vorgeworfen, dass ich mit dem Kopf durch die Wand gehe. Richtig, genauso will ich das beim Bild auch machen. Allerdings, einer schnellen Formulierung muss eine gründlichste Vorbereitungszeit vorangegangen sein.
Elmar Zorn:
Bleiben wir bei der Schnelligkeit Ihres Arbeitens. Wie schnell sind Ihre Veduten entstanden?
Wolfgang Stracke:
Voraussetzung für eine ungezwungene Leichtigkeit, Architektur und Landschaft mit Atmosphäre darzustellen, ist die genaue Kenntnis der verschiedenen Baustile und das Erfassen von Strukturen. Das braucht natürlich sehr viel Zeit, später mit gewisser Routine ist das einfacher.
Elmar Zorn:
Viele Kunstsammler kennen Sie ja vorwiegend als „Vedutenmaler“ und fordern das auch ein, dass Sie weiter diese Form der Kunst pflegen.
Wolfgang Stracke:
Ja, das ist ein Wiener Bedürfnis, war auch so zur Zeit des Rudolf Alt und Thomas Ender. Interessanterweise ist es damals wie heute derselbe Kundenkreis geblieben. Für mich war die Tätigkeit des Vedutenmalens eine ganz wichtige Übung für die Kenntnis der Dreidimensionalität.
Elmar Zorn:
Es gab ja auch den Auftraggeber, die Kirche, wo Sie einerseits die Malerei aber auch den eben angesprochenen Hang zur Skulptur und zum Raum voll ausleben konnten. Das ist ja eine der schwersten Disziplinen heutzutage, religiöse Werke darzustellen.
Wolfgang Stracke:
Es stimmt. Der kirchliche Auftraggeber ist nicht unkompliziert, so versuchte ich mich auf das Wesentliche zu konzentrieren um meine Vorstellung durchzubringen. Ich hatte das Glück immer wieder besondere Aufträge zu bekommen, Einladungen zu Ausschreibungen. Bei meinen Steinaufträgen suchte ich eine möglichst archaische, reduzierte Form.
Elmar Zorn:
Den Stein zu bearbeiten ist ja eine große Kunst, die nur noch wenige beherrschen. Haben Sie das eigentlich auch akademisch gelernt oder haben Sie sich das selbst beigebracht?
Wolfgang Stracke:
Zum Glück habe ich zu einer Zeit an der Akademie studiert, in der es noch echte Lehrmeister und wahre Könner gab, Prof. Wotruba, Prof. Gironcoli, den Assistenten Lanzenberger, da haben wir noch richtig von Grund auf gelernt, mit Meisel und Eisen in der Hand umzugehen, auch das Schweißen. Bei all dieser Arbeit war für mich das faszinierende, einen festen Willen durch Wochen durchzuhalten, mit extremer körperlicher Anstrengung, das war fantastisch.Zusätzlich lernte ich den damaligen Dombaubildhauer Saepper, den Meister, der alle die Rosetten an der Stephanskirche gemacht hat, kennen. Von ihm bekam ich den letzten Schliff in Bezug auf die Steinbearbeitung.
Elmar Zorn:
Man hat ja in Wien Malschulen vor Augen, die sehr dominant sind. Um einen einzigen Maler zu nennen: Kokoschka. Was sind Ihre Lieblingsmaler?
Wolfgang Stracke:
Ursprünglich, als ich mit der Architektur und Landschaftsmalerei angefangen habe, waren Rudolf Alt, Turner und Ender meine großen Vorbilder. Auch hatte ich besondere Mentoren, Hofrat Koschatzky, den damaligen Direktor der Albertina und Prof. Nebehay, Galerist in Wien. Die haben mich in besonderer Weise gefördert.Später dann waren meine „Professoren“ die großen Meister: Van Gogh, Degas, Toulouse Lautrec, überhaupt die Impressionisten, aber natürlich auch die ganzen Künstler der Moderne, Blauer Reiter und viele Andere.
Elmar Zorn:
Sie haben ein Phase in Ihrem künstlerischen Werdegang gehabt, in welcher Sie sehr engagiert “Politische“ Kunst produziert haben.
Wolfgang Stracke:
Das stimmt, in bescheidenerem Ausmaß, in den siebziger Jahren mit Plakaten für die „Aktion Leben“, auch für Atomkraftgegner.Verstärkt wieder vor der amerikanischen Präsidenten Wahl 2004, der Schock, Bush wird wieder gewählt, veranlasste mich einen Bush Trommler zu malen, als Verkünder allen Unheils…
Elmar Zorn:
Sie arbeiten einerseits in Wien in einer Fabrik, denn "Atelier" kann man das nicht mehr nennen, und andererseits in Kärnten. Hält sich das in Waage oder gibt’s hier eine Präferenz mit Wien.
Wolfgang Stracke:
Meine Fabrik ist ein Atelier. Im Moment arbeite ich mehr hier, denn da gibt es mehr Möglichkeiten, ich bin auf mich gestellt und kann so vielleicht expressiver, ausdrucksstärker sein. Ich habe jede Menge Platz für die Steinbildhauerei, da geht es spartanisch zu. Aber dann wiederum freu ich mich auf Kärnten, eine völlig andere Atmosphäre, so bin ich eben viel auf Achse.
Elmar Zorn:
Ich habe selten einen Künstler getroffen, der mit einer derart sinnlichen Inbrunst das Wort "al fresco" ausgesprochen hat. Das liegt Ihnen wohl sehr am Herzen.
Wolfgang Stracke:
Ja, es fordert absolute Klarheit des Denkens, durch die unbedingte Konsequenz der Technik, ähnlich dem Aquarell und der Tuschzeichnung. Dazu kommen noch die schwierigen bauphysikalischen Bedingungen, das ist die Herausforderung schlecht hin. Fresco wird an der Akademie nicht mehr gelehrt, alles Wissen muss man sich aus Büchern heraussuchen. Ich verwende immer noch bevorzugt das Malmaterialien Buch von Max Dörner in einer alten Ausgabe.Heute kann ich reversible Fresken malen unabhängig vom Untergrund.
Elmar Zorn:
Sie waren ja vor kurzem in München und haben die Ausstellung eines Kollegen, eines Technikers gesehen, der auch al fresco malt, einen Chinesen, der die uralte chinesische Technik der Wassertusche, in Schichten aufgetragen, ausübt: Paul Ching-Bor aus New York. Ist er denn einer, der das eigentliche Aquarellmalen beherrscht?
Wolfgang Stracke:
Ja, die chinesische Tradition pflegt die meisterhafte Aquarelltechnik und er kann das sehr gut umsetzen.
Elmar Zorn:
Neben Oper und Ballett ist ja auch das Konzert in Wien eine naturwüchsige Praxis. Sie haben viel im Konzert gearbeitet und etwas festgehalten, was man eigentlich gar nicht festhalten kann.
Wolfgang Stracke:
Genau. Auch da war es ähnlich wie im Ballettsaal: Bewegung und Musik. Der Unterschied war, alles spielte sich an einem Platz ab. Dem sehr bewegten Dirigenten malte ich mehrere Hände. So entstand ein Bewegungsablauf im Zeitraffer. Im Gegensatz dazu standen die „schlafenden und ruhenden“ Instrumente, die Stimmung war ähnlich besinnlich, wie bei den ruhenden Tänzern.
Elmar Zorn:
Das umfassende Werkbuch, das Sie jetzt vorlegen, ist ersichtlich von einer starken Motivation getragen, von einem künstlerischen Ethos. Gibt es dafür einen, Ihnen nahe liegenden, Begriff?
Wolfgang Stracke:
Es geht mir darum das Innere Bild ausformuliert zu übertragen, da überlasse ich nichts dem Zufall. Meine Arbeiten waren der Mode nie unterworfen, durch meine sehr verschiedene spezielle Ausbildung konnte ich jederzeit auf umfangreiches technisches Wissen zurückgreifen, so blieben mir viele Wege für jeglichen Ausdruck offen. Das will ich in meinem Buch „ Am Weg“ zeigen.
Elmar Zorn:
Wir haben uns in einer Galerie in Tirol kennen gelernt, haben uns dann wieder in Wien in einem Rahmengeschäft getroffen. Sie sind ja ein großer Liebhaber von Rahmen. Wenn ich mich so umschaue in Ihrem Atelier, dann sehe ich aber gar nicht so viele Rahmen.
Wolfgang Stracke:
Spezielle Kunden bitten mich manchmal um die Auswahl eines passenden Rahmens für ihr Bild. Oft wundere ich mich selbst wie schön, gut gerahmte Bilder aussehen, oder im Gegenteil, wie zerstörerisch schlechte Rahmung wirken kann. Ich selber bin im Atelier fast rahmenlos – falle gerne aus dem Rahmen – sagen wir das einmal so. Das ist eigentlich auch ein Lebenskonzept – möglichst aus dem Rahmen zu fallen.
Elmar Zorn:
Das ist doch ein schönes Schlusswort!