07 April 2012
Meister des genauen Sehens
Kleine Zeitung am 05.04.2012
"Am Weg": Eine opulente Monografie präsentiert das vielfältige Werk des bei Liebenfels lebenden Malers und Bildhauers Wolfgang Stracke.
Es kommt eher selten vor, dass in einer Künstlermonografie dem kindlichen Frühwerk ein eigenes Kapitel eingeräumt wird. Zumal dann, wenn die Zeichnungen des Buben zwar beachtliches Talent, aber noch wenig vom späteren Genie verraten. Ungewöhnlich wie dieses publizistische Entrée verlief auch die Karriere des Künstlers selbst, der zwar in seinen bislang 59 Lebensjahren überaus produktiv gewesen ist, aber "kaum je in Galerien und nie in einem öffentlichen Museum ausgestellt hat", wie Co-Autor Gottfried Knapp staunend vermerkt. Doch Wolfgang Stracke, seit 17 Jahren auf Schloss Liemberg bei Liebenfels ansässig, scheint die Anerkennung durch seine zahlreichen Sammler zu genügen. Und auch Ankäufe durch die Wiener Albertina oder die Österreichische Galerie des 20. Jahrhunderts dürften dem Unzeitgemäßen als Bestätigung seines bisherigen Weges dienen, der formal nach vielen Richtungen offen erscheint.
"Am Weg" lautet auch der Titel des kürzlich in der Nationalbibliothek präsentierten Bildbandes, der die künstlerischen Stationen des gebürtigen Grazers, der im Maltatal, in Niederösterreich und Wien aufwuchs, erstmals umfassend vor Augen führt: die Anfänge des 14-Jährigen an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, seine Ausbildung an der Kunstakademie in der Meisterklasse für Kleinplastik bei Ferdinand Welz sowie sein abschließendes Bildhauerstudium bei Fritz Wotruba und Bruno Gironcoli.
Resultat dieser vieldimensionalen Lehrzeit ist – trotz etlicher erlesener Skulpturen – weniger ein hervorstechendes bildhauerisches Schaffen, als vielmehr ein grafisch-malerisches Oeuvre von großer handwerklicher Delikatesse. Dies gilt insbesondere für seine an Rudolf von Alt gemahnenden Veduten auf Aquarell-Büttenpapier, aber auch für seine zwischen Monet, Degas, Gauguin, Kirchner und Picasso oszillierenden Ölgemälde mit Seerosenmotiven oder erotisch aufgeladenen Frauenakten. Federzeichnungen von Reisen, Konzerten oder Ballettproben erweisen Wolfgang Stracke zudem als Meister des raschen Striches und genauen Hinsehens.
Dieter Ronte und andere Autoren haben der reich bebilderten Publikation erhellende Texte beigesteuert. Nicht nur Freunde und Sammler des Künstlers dürften mit dem Buch ihre Freude haben.